Newsletter Nr. 1, 2025, der Wirtschaftskammer Schweiz-Iran

von cmsadmin

Irans Lage im Nahost-Konflikt

Vorausschickend erinnern wir an die Geschichte der sog. Palästina-Frage, die seit der Gründung von Israel 1948 während fünfundzwanzig Jahren Anlass zu vier Kriegen gegeben hat, in denen stets eine Koalition von arabischen Staaten unter der Führung von Ägypten militärisch erfolglos gegen Israel geblieben war. Aufgrund der geografischen Gegebenheiten war es logisch, von einem Nahost-Konflikt zu reden. Mit dem von US-Präsident Carter vermittelten Camp David-Abkommen 1978 nahm jener Nahostkonflikt um die Palästina-Frage ein Ende. Ägypten schloss mit Israel einen Friedensvertrag, Jordanien folgte später und seither ist über die vergangenen Jahrzehnte eine Bereitschaft anderer arabischer Staaten, nun auch arabischer Golfstaaten, gewachsen, sich mit der Existenz Israels abzufinden und sich für Kooperationen diesem anzunähern.
Mit der Islamischen Revolution in Iran von 1979 trat ein neuer Akteur auf den Plan, der das Existenzrecht Israels grundsätzlich ablehnte. Nach der Beendigung des Irak-Iran-Krieges trat die Islamische Republik Iran zunehmend auch militärisch namens der Palästinenser auf. Damit hat sich die regionale Auseinandersetzung in den folgenden Jahren zu einem direkten Antagonismus zwischen Israel und Iran entwickelt. Israels Feind lauert nicht mehr an seinen Grenzen, sondern liegt über eintausend Kilometer entfernt. Genau genommen ist es also nicht mehr ein Nahost-Konflikt, sondern ein Konflikt im «Middle East», so wie der Nahe Osten im angelsächsischen Sprachgebrauch stets geheissen hat. Damit waren die Hamas im Gaza-Streifen und die Hezbollah in Südlibanon in einem terroristischen Abnützungskrieg als Stellvertreter Irans gesetzt. Gleichzeitig baute Iran nach den traumatischen Erfahrungen des sunnitisch inspirierten Überfalls von Irak unter Saddam mit dem sog. Schiitenbogen eine Art Schutzwall als Teil einer Vorwärtsverteidigung, nicht zuletzt auch gegen eine feindlich gesinnte sunnitische Nachbarschaft, auf.
Der terroristische Überfall der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023, schliesslich, hat einen ausserordentlich zerstörerischen Krieg ausgelöst, in dem Israel sowohl die Hamas als auch die Hezbollah militärisch faktisch vernichtet hat. In weit ausholenden Operationen der Luftwaffe hat Israel anschliessend die iranische Luftabwehr weitgehend ausgeschaltet. Der Sturz des mit Iran verbündeten syrischen Alawiten-Herrschers Assad hat den Luftraum zwischen Israel und Iran weitgehend geöffnet. Mit den Ereignissen der vergangenen anderthalb Jahre sind Irans Verbündete im Stellvertreterkrieg praktisch auf Jahre hinaus ausgeschaltet worden und Iran hat wesentliche Teile seines strategischen Schutzwalles verloren. Dazu kommt die unverständliche Mitwirkung im Ukrainekrieg auf Seite Russlands, die dem bereits unter Sanktionen darbenden ehemals machtvollen nicht-arabischen Hegemon der Region vorläufig die letzten Kräfte für eine normale Entwicklung raubt. Es geht der iranischen Wirtschaft schlecht und das Land hat, abgesehen von wenigen Spezialitäten (Drohnen?), den Anschluss an die technologische Entwicklung im internationalen Wettbewerb verloren. Was das Land wirtschaftlich über Wasser hält, sind seine Energiereserven Öl und Gas, die es teils unter Umgehung von Sanktionen weltweit nur mit einem Preisabschlag absetzen kann.

Der neue Faktor «Trump»

Mit Amtsantritt des erneut gewählten US-Präsidenten Donald Trump scheint ein neues Kapitel der Weltpolitik angebrochen zu sein. Bereits nach vier Wochen ist erkennbar, dass an die Stelle der lange befürchteten Unberechenbarkeit eine Gewissheit getreten ist: Trump ist willens und dank seiner Gefolgschaft auch fähig, auch die am meisten befürchteten Ankündigungen, für viele auch Androhungen, wahrzumachen. Den grössten Schaden nimmt aus heutiger Sicht die globale Ordnung, die seit dem Ende des zweiten Weltkrieges in ihren Grundstrukturen liberal und «rules-based», d.h. auf der Grundlage von Völkerrechtsregeln aufgebaut ist. Die mit dem Untergang der Sowjetunion 1991 entstandene uni-polare Ordnung mit den USA als unangefochtene Supermacht mag in den vergangenen zwanzig Jahren mit dem wirtschaftlichen, dann militärischen Aufstieg Chinas den Charakter einer bi-polaren Ordnung angenommen haben. Es ist aber immer noch eine westlich inspirierte und den Interessen westlicher Gesellschaften dienende Ordnung. Die ersten Initiativen und Aktionen der neuen US-Administration im Bereich ihrer Aussenbeziehungen bringen diese Strukturen ins Wanken. Wohin die angestossenen politischen Entwicklungen führen werden, und wie nachhaltig sie sein werden, lässt sich natürlich noch nicht sagen. Die internationale «strategic community», also die geopolitischen Denker und Analytiker dieser Welt, sehen ein Umkippen der liberalen Ordnung in eine multi-polare Ordnung kommen. Berechenbare Welthandelsregeln und generell die Geltung des Völkerrechts werden durch eine Fragmentierung der Welt ersetzt, in der eine Vielzahl von Machtzentren («multi-polar») um grössere oder kleinere Mächte je mit politisch und militärisch beherrschten Einflusszonen entstehen. Viele heutige Mittelmächte erhoffen sich strategische Vorteile in einer solcherart umgestalteten Weltordnung. Für den Westen gesamthaft, inklusive für alle Länder der Welt, die an der bisherigen, wirtschaftlich zunehmend arbeitsteiligen und rechtlich-politisch berechenbaren, friedlichen Welt partizipieren, bedeutet ein solcher «Umsturz der Ordnung» einen grossen Verlust. Ob die Bevölkerung, d.h. die Menschen, in den aufsteigenden Mächten von einer multi-polaren Ordnung profitieren würden, ist sehr ungewiss. Denn, wenn Macht und Einfluss von Regierungen über demokratische Legitimation und Rechtsprinzipien die Oberhand hat, gilt das Individuum mit seinen legitimen Ansprüchen wenig.

… und Iran?

Unsere Darlegungen kreisen stets um die Auswirkungen regionaler oder gar weltpolitischer Vorgänge auf Iran. Dass Iran, zusammen mit seiner «axis of resistance», der «Achse des Widerstandes», d.h. in erster Linie die schiitische Hezbollah in Südlibanon und die (sunnitische) Hamas im Gaza-Streifen, eine grosse militärische Niederlage und damit einen politisch-strategischen Rückschritt historischen Ausmasses erlebt hat, ist in seinen wesentlichen Zügen oben dargestellt worden. Die Region wird heute von Irans Erzfeind Israel beherrscht. Was bleibt, ist, unser Augenmerk anderen Aspekten für Irans Fortkommen zuzuwenden.
Wir erinnern daran, dass der letzten Sommer gewählte Präsident, Massoud Pezeshkian, im Wahlgang Aussagen über erstaunlich offene politische Absichten und Stossrichtungen gemacht hatte. Generell wollte er «auf westliche Mächte zugehen», ausdrücklich auch, dass das Nukleardossier wieder ein Gesprächsgegenstand werden könnte. Dieser letzte Punkt war erstaunlich, da die dem Vorvorgänger Rohani gutgeschriebene Öffnung und der sog. Nuklearvertrag (JCPOA) von 2015 bekanntlich durch den Rückzug der USA unter Trump in dessen erster Amtszeit praktisch für alle Beteiligten suspendiert wurde. Seither hat die autonome Weiterentwicklung der eigenen Nukleartechnologie (mit oder ohne Absicht, «die Bombe zu bauen») absolute Priorität für die iranische Regierung.
Der folgenschwere Rückschlag für Irans strategische Position in der Region und die daraus folgende Fokussierung auf die immediaten Interessen des Landes in einer fast schlagartig feindlich gewordenen Umgebung machen es deshalb schwierig, sich für Iran eine positive Entwicklung vorzustellen. Dazu kommt ein kürzlich mit Russland abgeschlossenes langfristiges Partnerschaftsabkommen, das für europäische Regierungen eine allfällige Annäherung Irans noch schwieriger machen dürfte.

Es gehört zur Zweckbestimmung der Wirtschaftskammer, dass wir für unsere Mitglieder eine Verstärkung freundschaftlicher Beziehungen zwischen der Schweiz und Iran anstreben. Die nüchterne Analyse der aktuellen Situation lässt zu unserem Leidwesen vorläufig keine andere als die obige Folgerung zu. Umso wichtiger scheint uns deshalb, «am Ball» zu bleiben und in unseren Kontakten und auch im Gespräch unter uns Wege zu finden, wie der Austausch mit Iran, seiner Geschäftswelt, seiner Kultur und seinen Menschen am Leben erhalten und neu belebt werden kann. Eines unserer bewährten Mittel ist das Dinner nach der jährlichen Mitgliederversammlung, an dem wir in stimulierenden Gesprächen das Allerneuste auszutauschen und gemeinsam Silberstreifen am Horizont identifizieren.

In diesem Sinne rufen wir Ihnen in Erinnerung, dass die letztjährige Mitgliederversammlung das Datum der Versammlung 2025 (GV 2025) auf den Donnerstag, 24. April, gelegt hat.

Wir planen, die GV (ab 17 Uhr) und das Dinner (ab 19 Uhr) in Zürich im Restaurant Zunfthaus zur Waag am Münsterhof (gegenüber Fraumünsterkirche) durchzuführen. Die gewählte Lokalität ist Teil der Zürcher Geschichte und der Zunftsaal sehr stimmungsvoll.

Wir freuen uns, wenn Sie sich dieses Datum in Ihrer Agenda definitiv eintragen. Vier Wochen vorher erhalten Sie in einem nächsten Newsletter die konkrete Einladung mit mehr Details.
In der Hoffnung, Sie dann zahlreich wiederzusehen, grüssen wir Sie recht freundlich,

Wir freuen uns, Sie an der GV vom 25. April 2024 in Zürich wieder zu sehen und grüssen Sie recht freundlich,

Mit freundlichen Grüssen,
WIRTSCHAFTSKAMMER SCHWEIZ-IRAN

Philippe Welti, Präsident

Tipp: Konzert mit iranischer Musik
Siehe separat übermittelten Informationsflyer des Kulturveranstalters Lineh